Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung 7. und 8. März 2020 in Darmstadt |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 14 Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesvorstand, Leon Schleep (KV Werra-Meißner) |
Neue „Grüne Gentechnik“ (Agrogentechnik) gehört nicht auf unsere Felder – das System ist das Problem!
Beschlusstext
Grüne Gentechnik, oder auch Agrogentechnik genannt, ist eine der
meistdiskutierten Thematiken in der landwirtschaftlich-politischen Diskussion.
Neben der rein rationalen wissenschaftlichen Diskussion über Potentiale und
Risiken der neuen Gentechniken gibt es auch eine sehr emotionale Debatte, die
teils scharfe, teils unscharfe Trennlinien von Gegner*innen und
Befürworter*innen aufweist.
Wir, die GRÜNE JUGEND Hessen, lehnen den Einsatz von alter, sowie neuer
Gentechnik im landwirtschaftlichen Bereich ab. Dafür sind folgende Argumente
ausschlaggebend. Die Argumente, welche für uns ausschlaggebend sind, gewichten
wir stärker als die möglichen Potentiale, die Befürworter*innen dieser Techniken
hervorheben:
Die neuen Gentechniken sind präziser und effizienter geworden als die alten.
Aber die suggerierte vollkommene Sicherheit der Technik ist schlicht und
ergreifend nicht vorhanden. Es gibt weiterhin viele Off-Target-Effekte, also
Effekte, die Stellen der Genome auftreten, die nicht von den Verfahren betroffen
sein sollten. Die möglichen Off-Target-Effekte, und auch die On-Target-Effekte,
sind anders zu bewerten als die klassischer-bäuerlicher Züchtungsarbeit, da das
Potential der eingesetzten Genvielfalt deutlich größer ist.
Unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass Gentechnik einen negativen Einfluss
auf die menschliche Gesundheit haben könnte, muss beachtet werden, dass es keine
Langzeitstudien für Menschen gibt. Durch die erst „kurzfristige“ Entwicklung der
neuen Züchtungsmethode ist dies nicht möglich. Bisher gibt es nur Studien an
kleineren Säugetieren (z.B. Ratten und Mäuse) über verhältnismäßig kurze
Zeiträume (bspw. 90 Tage). Diese können nicht darstellen, in wie weit
menschliche und tierische Organismen durch GMO-Nahrung beeinflusst werden.
Es ist zwar theoretisch korrekt, dass die Möglichkeiten von den neuen
Gentechniken sehr vielfältig sind. Es ist bspw. denkbar, dass die Wurzeln
verändert werden können, um die Phosphoraufnahme zu verbessern, aber rein
praktisch spielen solche Ideen weniger eine Rolle. Bei den alten Gentechniken,
die zwar prozessmäßig anders, aber von der Zielsetzung gleich funktionieren,
konnte man sehen, dass hauptsächlich zwei Eigenschaften bearbeitet wurden:
Herbizidtoleranz (z.B. gegen Glyphosat) und Aufnahme von Bt-Genen (z.B. kann die
Pflanze eigenständig Insektizide produzieren). Oft traten sie auch in
Kombination auf. Diese Eigenschaften dominieren das gesamte Feld der
gentechnischen Veränderungen an Pflanzen massiv. Wir bezweifeln, dass sich die
Interessensfaktoren bei den neueren Züchtungsmethoden verändern.
Oft wird angeführt, dass die neuen Gentechniken zu einer Demokratisierung der
Gentechnikanwendung führen. Denn sie sind einfacher in der Handhabung und vor
allem günstiger. Dadurch konnten bspw. Start-Ups an Gentechnikprodukten
arbeiten, die vorher von solchen Ansätzen ausgeschlossen waren. Nun zu glauben,
dass sich der agrochemische Markt diversifiziert und so die Macht der großen
Konzerne gebrochen wird, ist unrealistisch. Der agrarchemische Markt wird von
vier großen Konzernen (nach einigen Megafusionen der letzten Jahre, z.B. Bayer-
Monsanto) dominiert, die sich einen Großteil der weltweiten Produktion an
Saatgut und Pestiziden aufteilen. Es ist deutlich wahrscheinlicher, dass die
großen Unternehmen, die kleinen Start-Ups schlucken. Innovationen, die dem
agroindustriellen System dienen, werden dann aufgenommen, und die, die für
agrarökologische Zwecke dienlich wären, werden das Licht der Öffentlichkeit
vermutlich nie sehen. Der Markt ist zu konzentriert, als dass die Macht und die
Abhängigkeit von den großen Unternehmen gebrochen werden könnte, ohne sie zu
zerschlagen. Und da dies alles andere als wahrscheinlich ist, gerade da es
multinationale Konzerne sind, die rechtlich viel schwieriger zu greifen sind als
Nationale, muss man sich über die Konsequenzen einer Liberalisierung des
Gentechnikrechts im Klaren sein.
Es gibt zuweilen Vorschläge, Gentechnik durch progressive Regulierungen schritt-
oder teilweise einzuführen. Die Agrarlobby ist unglaublich stark, sowohl in
Brüssel als auch in Berlin. Wenn über eine Lockerung im Gentechnikrecht
debattiert wird, wird sich niemals eine Position durchsetzen können, die nur die
öffentliche Bereitstellung oder ähnliches erlaubt. Kommt die gentechnische
Liberalisierung, dann kommt sie intensiv und ungebremst.
Wir bestreiten nicht, dass es theoretische Potentiale dieser Technik gibt. Diese
halten wir dennoch nicht für praxisnah oder -relevant. Für die Anpassung an den
Klimawandel gibt es bessere Maßnahmen, die Landwirt*innen nicht noch mehr in die
Abhängigkeit großer Konzerne drängen, zudem noch viele Ökosystemdienstleistungen
erzielen können und inputärmer sind. Die großen Player dieses Systems werden
nicht diejenigen sein, die die Landwirtschaft nun vor dem Klimawandel retten
werden. Und auch Hunger hat andere Ursachen als fehlendes ‚High-End-Saatgut‘.
Die Hungerdebatte ist für die politische Diskussion über die Anwendung Grüner
Gentechnik nicht relevant, derzeitige Berichte sprechen von einer
Nahrungsmittelüberproduktion. Die sinnvolle und richtige Verteilung der
vorhandenen Nahrungsmittel könnte dieses Problem, im Gegensatz zum Einsatz von
Gentechnik, lösen.
Wir wollen die Freiheit der Wissenschaft wahren und Forschung mit gentechnischen
Methoden weiterhin möglich machen. Wir stellen uns auch nicht gegen Innovationen
und Wissenschaft, die einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten. Im aktuellen
System sehen wir aber keine Möglichkeiten, diese ohne Nachteile, einzusetzen.
Zusammenfassung der Forderungen:
- Die GRÜNE JUGEND Hessen lehnt alle Anwendungen von Agrogentechnik ab.
- Wir fordern, dass auch weiterhin das Mindestmaß an gesetzlichen
Forderungen zur Regulierung und zum Monitoring bei gentechnisch
veränderten Pflanzen eingehalten werden.
- Wir fordern und brauchen einen Wandel im Agrarsystem, hin zu mehr
agrarökologischen Maßnahmen.
- Die transparente und unabhängige Forschung zu Gentechnik soll weiterhin
erlaubt bleiben, um die Risiken besser einschätzen zu können.